shakespeare-literatur
  Gefunden (Johann Wolfgang von Goethe)
 

„Gefunden“
Johann Wolfgang von Goethe

 

Ich ging im Walde

So für mich hin,

Und nichts zu suchen

Das war mein Sinn.

Im Schatten sah' ich

Ein Blümchen stehn,

Wie Sterne leuchtend,

Wie Äuglein schön.

Ich wollt' es brechen;

Da sagt' es fein:

Soll ich zum Welken

Gebrochen sein?

Ich grub's mit allen

Den Würzlein aus,

Zum Garten trug ich's

Am hübschen Haus.

Und pflanzt es wieder

Am stillen Ort;

Nun zweigt es immer

Und blüht so fort.

 

 

Gedichtanalyse:

Das vorliegende Gedicht „Gefunden“ von Johann Wolfgang von Goethe ist bereits aufgrund seiner äußeren Form als literarischer Text erkennbar und es wird deutlich, dass hier neben der referentiellen, ästhetischen und unterhaltenden auch die expressive Funktion ganz besonders stark ausgeprägt ist. Dies zeigt sich daran, dass ganz gezielt Stimmungen, wie Ruhe und Harmonie erzeugt [sie werden weniger erzeugt als ausgedrückt] werden. Unerwartet finden wir allerdings in der 3. Strophe das Motiv der Vergänglichkeit vor, welches durch das „Welken“ des Blümchens ausgedrückt wird und als „Bruchstelle“ gedeutet werden kann. Die referentielle Funktion dagegen erzeugt durch ihre bildhafte Sprache und ihren übersteigerten [?] Wirklichkeitsbezug eine Anregung der Phantasie des Lesers, wodurch sie Emotionalität und das Entstehen von subjektiven Bildern in Bezug zum Thema Natur hervorzubringen vermag. Beispielhaft hierfür ist der „Wald“ (Strophe 1, Vers 1), sowie das „Blümchen“ (Strophe 2, Vers 2), welches die Assoziation von etwas Einzigartigem mit möglicherweise großem persönlichem Wert hervorruft. Eine appellative Funktion ist in diesem Gedicht dagegen nicht vorzufinden, da keine direkte Ansprache eines Gegenübers/Lesers stattfindet.

In besondere Erscheinung tritt [A] die ästhetische Funktion. Die klare Einteilung in Strophenund Versform, sowie die Anwendung eines Reimschemas erzeugt eine deutliche Abgrenzung von der Alltagssprache. Hierzu trägt auch die Verwendung von Stilmitteln bei, welche eine besonders bildhafte Sprache erzeugt. Besonders betont wird dadurch die Schönheit der Natur. [ein paar Textbeispiele nennen!] Unter anderem lässt sich anhand des Gedichts auch eine unterhaltende Funktion aufweisen, die dem Leser durch vorwiegend expressive Funktion [A] ein besonderes Lesevergnügen bereitet. Unter den literarischen Funktionen tritt besonders die expressive Funktion hervor, die Stimmungen, Empfindungen und subjektive Erlebnisse des Autors [nein! wir sollten uns im Seminar eigentlich darauf geeinigt haben, dass in literarischen Texten niemals direkt der der Autor spricht!!! auch wenn hier mutmaßlich eine große Nähe zwischen dem Ich/der Sprechinstanz und dem Autor besteht] beschreibt.

Allgemein wird eine friedliche, idyllische und harmonische Grundstimmung erzeugt. In der 1. sowie 2. Strophe finden wir dazu Beispielwörter, die auf das Thema Natur hinweisen („Wald“, „Blümchen“). Weitere Beispiele wie „hübsches Haus“ (4. Strophe, 4. Vers) oder auch „am stillen Ort“ (5. Strophe, 2. Vers) vermitteln eine ruhige und harmonische Stimmung. Konträr dazu steht das „Welken“ des Blümchens (3. Strophe, 3. Vers), das auf das Vanitas-Motiv verweist [zunächst steht „Welken“ eher für Lebenskraftverlust, Altern und Sterben, und dann erst möglicherweise für die Vergänglichkeit als solche. Inhaltlich finden wir eine beschriebene Naturszenerie vor, einen ruhigen, bedächtigen Waldspaziergang, in welche das Motiv der Vergänglichkeit tritt. In Bezug auf die Entstehungszeit des Gedichts und den Verfasser Johann Wolfgang von Goethe lässt sich der Inhalt thematisch ausweiten.

Deutlich werden dabei die Vorstellung vom Mensch im Einklang mit der Natur, sowie das Bestreben der Klassiker nach Harmonie und Humanität. Kennzeichnend für ein Gedicht sind jedoch nicht nur die literarischen Funktionen. Eine besondere Gewichtung erhält außerdem die Abweichung von der Standardsprache. Ein wesentliches Merkmal ist dabei das Verfassen von Verszeilen und Strophen, wie hier anhand der Gliederung in 5 Strophen zu je 4 Verszeilen klar erkennbar ist, wodurch eine besondere Strukturierung und Rhythmisierung erzeugt wird. Von großer Bedeutung ist außerdem die Verwendung von rhetorischen Stilmitteln. Zu nennen sind beispielsweise die Alliteration „am hübschen Haus“ (Strophe 4, Vers 4), sowie die Anapher „und“ (Strophe 2, Vers 3 und 4), welche durch das Prinzip der Wiederholung der Einprägsamkeit dient. Auffallend sind auch die Anthropomorphisierung des Blümchens in der 3. Strophe, sowie die Anwendung des Diminutivs bei Blümchen (Strophe 2, Vers 2), Äuglein (Strophe 2, Vers 4) sowie Würzlein (Strophe 4, Vers 2).
Ein weiteres Wesensmerkmal ist sowohl die formale, als auch inhaltliche Kürze des Textes. Das Gedicht ist zwar 5 Strophen lang, im Vergleich zu einem Drama oder Roman jedoch verhältnismäßig kurz. Auch inhaltlich wird diese Kürze deutlich, da der Inhalt, ein ruhiger Waldspaziergang, nur kurz umrissen wird, jedoch keine ausführliche Beschreibung des Geschehnisses darstellt. Wie bereits kurz erwähnt spielt auch die Bildhaftigkeit eine große Rolle. Um diese zu erzeugen verwendet der Autor Vergleiche wie „Blümchen“ – „Stern“ (Strophe 2), oder auch die Anthropomorphisierung (Strophe 3). Dadurch wird die dargestellte Naturszenerie vom Leser besonders realistisch wahrgenommen.

Als letztes wesentliches Merkmal der Lyrik ist die Sangbarkeit anzuführen. Entscheidend für die Sangbarkeit eines Textes sind dessen Metrum, Rhythmus, Reim, sowie klangliche Stilmittel. Bei den klanglichen Stilmitteln sind, wie bereits dargestellt, Alliteration und Anapher zu nennen, welche genau wie das Polyptoton „brechen“ – „gebrochen“ (Strophe 3) der Eindringlichkeit dienen. Der Rhythmus dagegen entsteht hauptsächlich durch die weichen Enjambements, welche einen ruhigen Fluß entstehen lassen. Zum Reimschema lässt sich außerdem anführen, dass sich jeweils die 2. und 4. Verszeile einer jeden Strophe reimen. In der 2. Strophe finden wir auch einen unreinen Reim („stehn“ – „schön“), während ansonsten durchgehend reine Reime, wie „hin“ – „Sinn“ (Strophe 1) vorherrschen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass zunächst der Eindruck eines reinen Naturgedichtes entsteht, welchen es im Verlauf der Analyse durch die Leitmotive der Klassik zu erweitern gilt.

Die Bestimmung der literarischen Funktionen und der lyrischen Merkmale ist gut geglückt, wenngleich dabei noch mehr mit Textbeispielen gearbeitet werden müsste und die Klanglichkeit durch metrische Analyse (alternierender Zweiheber mit Auftakt und wechselnder Kadenz) noch näher zu betimmen wäre.

Was mir in dieser Interpretation aber noch viel mehr gefehlt hat, ist die Auseinandersetzung mit der inhaltlichen und thematischen Seite des Textes. Das Ich erzählt ja hier ansatzweise eine kleine Geschichte, deren symbolische Handlung zu diskutieren wäre. Was steckt dahinter? Was ist damit sinnbildlich gemeint? Das wäre dann die thematische Seite, die über das einfache Thema Natur weit hinausreicht: da geht es auch um Suchen/Finden an sich (Überschrift!), um „Entwurzelung“ und Eigenständigkeit etc. Man muss dabei nicht unbedingt darauf kommen, dass mit dem Brechen der Blume durchaus auch das „Pflücken“ einer Frau durch einen Mann gemeint sein kann, aber die auffällige, geradezu märchenhaft-phantastische Anthropomorphisierung der sprechenden Blume und der „Äuglein“-Vergleich deuten eigentlich darauf hin.

 
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